Über Rauhnacht
Jexhof/Schöngeising am 05. Januar 1879 um 18:00 Uhr:
Die Leute des Hofes sitzen dicht gedrängt in der Stube beieinander, das Kaminfeuer brennt, der Raum ist spärlich mit Kerzenlicht und Kienfackeln beleuchtet. Der Hof ist eingeschneit. Die Natur hat sich vollständig in’s tiefste Erdinnere zurückgezogen. Das Leben findet nur noch zwischen Wohnhaus, Stall und Scheune statt. Essbares gibt es ausschließlich von der Vorräten. Werden sie reichen?
Dann immer wieder der Blick aus dem Fenster: Dunkelheit. Das neue Licht wurde bereits am 21. Dezember neu geboren, doch wird es noch gehütet, bis es stark genug ist aufzusteigen. Die Wuide Hetz zieht übers Land. Frau Perchta, Schutzpatronin der Rauhnächte blickt durch die Fenster, sind die Stuben rein, stehen die Spinnräder still, ruht die Arbeit? Sie überwacht die Einhaltung der Regeln, denn es ist Rauhnacht!
Das Wissen um die Rauhnächte ist vielerorts verloren gegangen. Über das wenige was noch übrig geblieben ist, wird heftig gestritten. Das beginnt mit dem Namen; heißt es Rauh- oder Rauchnacht? Leitet sich der Name vom mittelhochdeutschen Wort „rüch“ = haarig ab in Verbindung mit den pelzig vermummten umherziehenden Dämonen, oder einfach nur von „Rauch“, weil in dieser Zeit Haus und Hof geräuchert wurden zur Abwehr böser Geister? Auch der Zeitraum variiert durch unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Zeitrechnung. Üblicherweise wird heute der Zeitraum zwischen dem 24. Dezember und dem 06. Januar benannt. Einig ist man sich, dass diese elf Tage und Zwölfnächte aus der Differenz des Sonnenkalenders zum Mondkalender (eine Mondphase ca. 29,5 Tage x 12 = 354 Tage) herrühren.
In einem Punkt sind sich alle einig:
Diese Tage sind voll Magie und Mystik mit vielen Riten und Bräuchen. Es ist die Zeit wo ein Austausch zwischen den Lebenden und der Jenseitswelt stattfindet. Die Tore der Anderswelt stehen offen. Die toten Seelen haben Ausgang und die Altvorderen nützten die Raunächte auch um in die Zukunft zu blicken. Dabei stand die erste Rauhnacht für den Januar, die zweite für den Februar usw. Die Erlebnisse in diesen Zwölfnächten wurden aufgeschrieben und auf die nächsten zwölf Monate zukunftsweisend übertragen. Allein die Regeln der Rauhnächte füllen mehr als eine Seite, z.B. durfte keine weiße Wäsche gewaschen und aufgehängt werden denn es heißt, dein Leintuch wird dein Leichentuch sein, alle Räder mussten stillstehen, denn es drehte sich das Schicksalsrad der Menschen.
Dass unsere heutigen Hausfrauen die Wohnungen und Häuser besonders gründlich vor Weihnachten putzen rührt noch aus dieser Zeit her, denn wehe den Hausleuten, wenn Perchten im Wohnraum Staub gefunden hatten. Bevor es Weihnachten gab, feierten die Leute die Rauhnächte, die staade Zeit. Geschichten und alte Weisheiten wurden erzählt, die Menschen lauschten, hörten in sich hinein, man bereitete sich auf das neue Jahr vor. Was bringt es?